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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.05.2003
Aktenzeichen: 3Z BR 94/03
Rechtsgebiete: BGB, FGG
Vorschriften:
BGB § 1821 | |
FGG § 20 Abs. 1 | |
FGG § 55 | |
FGG § 62 | |
FGG § 69d Abs. 1 |
Gründe:
I.
Die Betroffene und ihr verstorbener Ehemann waren Miteigentümer zu je 1/2 eines Hausgrundstücks in D. Die Betroffene hat ihren Ehemann allein beerbt. Dieser hat seinen Kindern aus früherer Ehe, den weiteren Beteiligten zu 1 mit 3, durch ein Vermächtnis, zu erfüllen bei Tod der Betroffenen, seinen Miteigentumsanteil an dem Grundstück zugewandt. Nach dem Vermächtnis ist die Betroffene jedoch berechtigt, das Grundstück insgesamt zu verkaufen, wobei den Kindern dann die Hälfte des Verkaufserlöses auszukehren ist. Der Betroffenen steht außerdem ein Ablösungsrecht hinsichtlich des Hälfteanteils zu. Entsprechend dem Testament ist der (künftige) Anspruch der Kinder auf Übertragung des Hälfteanteils durch Eigentumsvormerkungen gesichert.
Für die Betroffene wurde am 21.10.2001 eine Rechtsanwältin als berufsmäßige Betreuerin für zahlreiche Angelegenheiten, darunter die Vermögenssorge, bestellt.
Die Betreuerin veräußerte zu notarieller Urkunde vom 29.11.2002 das eingangs genannte Grundstück für 350000 EUR. Der Kaufpreis entspricht dem Ergebnis eines zuvor eingeholten Wertgutachtens. Die weiteren Beteiligten sind mit dieser Veräußerung nicht einverstanden.
Das Amtsgericht bestellte im Rahmen des Genehmigungsverfahrens einen Verfahrenspfleger für die Betroffene. Dieser stimmte der Veräußerung des Grundstücks zu. Das Vormundschaftsgericht genehmigte am 3.2.2003 die Veräußerung, nachdem es dies zunächst am 9.1.2003 durch Vorbescheid angekündigt hatte. Der Vorbescheid war den weiteren Beteiligten am 24.1.2003 auf Anfrage ihres Verfahrensbevollmächtigten mitgeteilt worden.
Die von den weiteren Beteiligten gegen die Genehmigung eingelegte Beschwerde hat das Landgericht am 25.3.2003 als unzulässig verworfen, da die Genehmigung durch Mitteilung an den Erwerber unabänderbar geworden sei. Die weiteren Beteiligten seien durch die Genehmigung nicht in ihren Rechten betroffen, so dass sich für sie auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine Beschwerdemöglichkeit ergebe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der weiteren Beteiligten.
II.
Die nicht fristgebundene weitere Beschwerde ist statthaft (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG) und auch im Übrigen zulässig. Die Beschwerdeberechtigung der weiteren Beteiligten ergibt sich für das Verfahren der weiteren Beschwerde bereits aus der Verwerfung ihrer Erstbeschwerde durch das Landgericht (§ 20 Abs. 1, § 29 Abs. 4 FGG; vgl. BayObLGZ 1976, 281/282 und 1996, 90/91 m. w. N.).
Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die rechtliche Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 546 ZPO) ergibt, dass das Landgericht die Beschwerde zu Recht als unzulässig verworfen hat.
1. Gemäß § 55 Abs. 1 FGG, der bei einer Betreuung, entsprechend anzuwenden ist (§ 69e Satz 1 FGG), kann eine Verfügung, durch welche die Genehmigung zu einem Rechtsgeschäft erteilt wird, vom Vormundschaftsgericht insoweit nicht mehr geändert werden, als die Genehmigung einem Dritten gegenüber wirksam geworden ist. Ist die Genehmigung für das Vormundschaftsgericht nicht mehr abänderbar, kann auch das Beschwerdegericht sie nicht mehr ändern (§ 62, § 69e Satz 1 FGG). Eine gegen die Genehmigung gleichwohl eingelegte Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen (vgl. BayObLG FamRZ 1997, 1426 m. w. N.).
So liegt der Fall hier.
a) Die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Veräußerung des Hausgrundstücks der Betroffenen (§ 1821 Abs. 1 Nrn. 1 und 4 BGB i.V.m. § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB) vom 3.2.2003 wurde der Notarin mitgeteilt, die den Kaufvertrag und die Auflassung am 29.11.2002 beurkundet hatte. Die Notarin war in der Urkunde (Ziff. XI) von beiden Vertragsparteien wirksam ermächtigt und beauftragt worden, Erklärungen zur Durchführung des Rechtsgeschäfts abzugeben und entgegenzunehmen (sog. Doppelvollmacht; vgl. BayObLG FamRZ aaO und 1998, 1325/1326). Danach konnte sie für die Betroffene die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung entgegennehmen, diese namens der Betroffenen dem Vertragspartner mitteilen und für diesen die Mitteilung in Empfang nehmen. Nach außen erkennbar gemacht hat die Notarin die Vornahme dieser zulässigen In-sich-Geschäfte durch Vermerk vom 7.2.2003. Zu diesem Zeitpunkt ist demnach die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung unabänderbar und damit unanfechtbar geworden.
b) Formelle oder materielle Rechtsmängel der Genehmigung führen grundsätzlich nicht zu einem Wegfall der genannten Bindungswirkung. Nur wenn im Genehmigungsverfahren die Mindestanforderungen, die an ein rechtsstaatliches verfahren zu stellen sind, nicht erfüllt sind, ist für die Anwendung von §§ 55, 62 FGG kein Raum mehr (vgl. BayObLGZ 1989, 242/248 f.). Derart schwerwiegende Mängel liegen hier nicht vor.
aa) Zwar wurde die Betroffene zu der beantragten Genehmigung der Grundstücksveräußerung entgegen § 69d Abs. 1 Satz 1 FGG nicht persönlich angehört. Angesichts der Bedeutung der Wünsche des Betroffenen und der ideellen (Familien-)Interessen für die Genehmigungsfähigkeit (vgl. Palandt/Diederichsen BGB 62. Aufl. § 1828 Rn. 7) ist eine solche Anhörung grundsätzlich sehr sachdienlich. Die Vorinstanzen durften jedoch auf der Grundlage des Ergebnisses der am 21.9.2001 im Unterbringungsverfahren durchgeführten persönlichen Anhörung der Betroffenen und der Berichte der Betreuerin in vertretbarer Weise davon ausgehen, dass die Betroffene hier nicht mehr in der Lage ist, ihren Willen kundzutun (§ 69d Abs. 1 Satz 3 FGG). Folgerichtig wurde der Betroffenen vom Amtsgericht ein Verfahrenspfleger bestellt (§ 67 Abs. 1 Satz 1 FGG; Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 3. Aufl. § 69d FGG Rn. 6), der der beabsichtigten Genehmigung namens der Betroffenen zustimmte.
bb) Den weiteren Beteiligten wurde der Vorbescheid vom 9.1.2003 erst auf Betreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten am 24.1.2003 mitgeteilt, die Genehmigungsentscheidung erging bereits am 3.2.2003. Darin liegt jedoch kein Verfahrensfehler. Die Beteiligung der Kinder am Genehmigungsverfahren war weder auf Grund besonderer Vorschriften noch wegen materieller Betroffenheit erforderlich.
(1) Gemäß § 69d Abs. 2 Satz 3, § 68a Satz 3 und 4 FGG ist in den Fällen der hier nicht gegebenen qualifizierten Genehmigungen nach § 68d Abs. 2 Satz 1 FGG unter anderem den Kindern des Betroffenen in der Regel Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Nachdem die weiteren Beteiligten nicht Kinder der Betroffenen sind, brauchen sie in Fällen der genannten Art, erst recht aber in anderen, nicht qualifizierten Genehmigungsfällen wie hier, nicht angehört zu werden.
(2) Im Genehmigungsverfahren sind auch diejenigen zu beteiligen, deren Rechte durch die Erteilung oder Versagung der Genehmigung unmittelbar betroffen sind. Wie dieser Kreis im Einzelnen zu ziehen ist (vgl. dazu BayObLGZ 2002, 208/214), kann hier dahinstehen. Jedenfalls wird die Rechtsposition der Kinder hier durch die Genehmigung nicht betroffen.
Die Kinder hatten aus dem testamentarischen Vermächtnis ihres Vaters vom 7.9.1982 2147, 1939 BGB) von vornherein keinen gesicherten Anspruch 2174 BGB) auf Übertragung des väterlichen Miteigentumsanteils an dem Grundstück. Vielmehr ist dieser Anspruch, wenngleich durch Auflassungsvormerkungen absicherbar und abgesichert (§ 883 Abs. 1 BGB), aufschiebend bedingt (§ 158 Abs. 1 BGB; Palandt/Edenhofer § 2074 Rn. 1) dadurch, dass die Betroffene das Grundstück bis zu ihrem Tod nicht veräußert. Die Möglichkeit der Veräußerung durch die Betroffene hat der Vater der weiteren Beteiligten in seinem Vermächtnis ausdrücklich eröffnet und für diesen Fall seinen Kindern zum Ausgleich einen Zahlungsanspruch in Höhe des hälftigen Verkaufserlöses zugewendet, der nicht durch Auflassungsvormerkungen gesichert werden konnte. Der Erblasser hat folgerichtig angeordnet, dass die Kinder in diesem Fall die Auflassungsvormerkungen löschen lassen müssen, eine Folge, die sich bereits aus dem Gesetz ergibt (§ 886 BGB; vgl. Palandt/Bassenge § 886 Rn. 4 ). Die Kinder befinden sich nach der Veräußerung des Grundstücks durch die Betreuerin namens der Betroffenen (§ 164 Abs. 1 Satz 1, § 1902 BGB) in keiner anderen rechtlichen Lage als nach einer Veräußerung durch die Betroffene selbst, deren volle Geschäftsfähigkeit (§ 104 Nr. 2 BGB) angenommen. Sie haben kein Recht., die Veräußerung des Grundstücks durch die Betroffene, ob diese nun selbst handelt oder durch eine Betreuerin vertreten wird, zu verhindern. Eine Absicherung, dass bei der Veräußerung des Grundstücks ein bestimmter Mindesterlös und damit eine Mindestquote der weiteren Beteiligten erzielt werden müsse, enthält das väterliche Testament nicht. Die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Grundstücksveräußerung beeinträchtigt daher den Vermächtnisanspruch der weiteren Beteiligten nicht.
c) Unter diesen Umständen kann auch die von den weiteren Beteiligten erwähnte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 101, 397 = NJW 2001, 1709) nicht zur Zulässigkeit der Beschwerde führen. Sie fordert ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten nur für diejenigen, die durch die gerichtliche Genehmigung unmittelbar in ihren Rechten betroffen sind. Das trifft auf die Kinder des verstorbenen Mannes der Betroffenen, wie dargelegt, nicht zu. Es kann daher offen bleiben, welche Rechtsfolgen sich aus einer unterbliebenen Beteiligung eines materiell Betroffenen am Vorbescheidsverfahren ergeben (vgl. auch Keidel/Engelhardt FGG.15. Aufl. 62 Rn. 10).
2. Im Übrigen sind die weiteren Beteiligten auch nicht beschwerdeberechtigt.
a) Aus ihren familiären Beziehungen zur Betroffenen folgt hier kein Beschwerderecht. Zwar fallen Stiefkinder, weil sie in gerader Linie mit dem Betroffenen verschwägert sind, unter die gemäß § 69g Abs. 1 Satz 1 FGG beschwerdeberechtigten Angehörigen. Die Anwendung dieser Vorschrift beschränkt sich jedoch auf die in ihr genannten Entscheidungen, zu denen die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung nicht zählt (vgl. BGH NJW 1996, 1825; BayObLG FamRZ 1998, 1186/1187). Die das Genehmigungsverfahren betreffenden Regelungen in § 69d Abs. 1, § 69e Satz 1 FGG und den Vorschriften, auf die dort verwiesen wird, geben den weiteren Beteiligten kein Beschwerderecht.
b) Auch aus § 20 FGG (vgl. BGH und BayObLG aaO) folgt kein Beschwerderecht der weiteren Beteiligten. Diese Vorschrift setzt voraus, dass durch die angegriffene Verfügung ein Recht des Beschwerdeführers beeinträchtigt wird. Recht in diesem Sinne ist jedes durch Gesetz verliehene oder durch die Rechtsordnung anerkannte, von der Staatsgewalt geschützte private oder öffentliche subjektive Recht, dagegen nicht schon ein rechtliches oder berechtigtes (wirtschaftliches, ideelles oder sonstiges) Interesse. Der Begriff der Beeinträchtigung verlangt, dass die angefochtene Entscheidung unmittelbar nachteilig in die Rechtsstellung des Beschwerdeführers eingreift, indem sie dessen Recht aufhebt, beschränkt oder mindert, die Ausübung des Rechts stört oder erschwert (vgl. BayObLGZ 2003, 17 m. w. N.). Dies ist für die hier angefochtene Genehmigung nicht der Fall.
aa) Die Rechte der Kinder aus dem Vermächtnis sind, wie dargelegt, nicht berührt.
bb) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann im Einzelfall als Recht im Sinne von § 20 Abs. 1 FGG angesehen werden (vgl. OLG Saarbrücken FamRZ 2001, 651 m. w. N.). Es gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (BVerfGE 65, 1). Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass dieses Recht der weiteren Beteiligten durch die angegriffene Entscheidung nicht beeinträchtigt wurde. Die weiteren Beteiligten sind in ihr nicht einmal erwähnt. Im Übrigen sind sie dem Verfahren aus eigenen Stücken beigetreten und haben die persönlichen Lebenssachverhalte über ihren Verfahrensbevollmächtigten freiwillig mitgeteilt. Diese Sachverhalte sind Dritten nicht zur Kenntnis gebracht worden; insbesondere der Erwerber des Grundstücks hat durch die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung keine über den Vertragsinhalt hinausgehenden Informationen erhalten.
Ende der Entscheidung
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